Kommentare und Gedanken zu meinem Mini-E-Book "66 Business & Life-Impulse für Musiker*innen"
Impulse sind naturgemäß eher kurz. In meinem E-Book habe ich also 66 - sagen wir mal lapidare - Tipps für dein Musiker*innen-Leben zusammengestellt. Kurz und knackig. Und inspirierend. Wenn du hier oder da gern etwas mehr Hintergrund hättest oder dich dafür interessierst, was mich geritten hat, ausgerechnet diesen Tipp mit aufzunehmen - voilá! Hier erfährst du es.
#3: Kenne die Werte, die dir wichtig sind
Jeder Mensch hat seine ganz persönliche Zusammenstellung von für sie oder ihn zentralen Werten. Diese Werte steuern Entscheidungen und wollen gelebt werden. Ist das nicht der Fall, führt das zu Unzufriedenheit, Frust und Unlust.
Leidenschaft und Liebe
Leidenschaft und Liebe sind zum Beispiel zwei wichtige Werte, die mir sofort einfallen, wenn ich an Musiker*innen und Musiker denke. Ohne sie wäre es vermutlich schwer, ein Leben lang genügend Disziplin aufzubringen, um in diesem Beruf zu bestehen. Womit schon gleich ein dritter Wert genannt ist, der für die meisten Musiker*innen relevant ist. Für viele Menschen, die sich den Künsten zuwenden, ist in der Regel auch Kreativität ein elementarer Bestandteil des Lebens. Du kennst das bestimmt.
Werte sind die tief verwurzelten Überzeugungen, Einstellungen, Ideale und Bedürfnisse, die sich im Laufe des Lebens entwickeln und durch unser familiäres, soziales und kulturelles Umfeld geprägt werden. Werte beeinflussen unser Handeln und definieren, wofür wir Energie und Zeit investieren wollen.
Wir teilen Werte mit den Mitgliedern unserer Gemeinschaft und sie sind Teil unserer Identität. Ihr jeweiliger Stellenwert im Leben kann sich verändern, insbesondere dann, wenn wir elementare Krisen oder biografische Wendepunkte erleben.
Es ist gar nicht so einfach, mit den rasanten Veränderungen und den großen Herausforderungen umzugehen, die wir Menschen heutzutage erleben. Alles ist im Wandel – so gut wie in jedem Lebensbereich. Vielleicht genau deshalb lässt sich auch in der Arbeitswelt ein fundamentaler Wertewandel ausmachen. Immer mehr Menschen fragen sich häufiger: Was zählt wirklich im Leben? Wie viel Zeit möchte ich mit meiner Erwerbsarbeit verbringen und wie viel Lebenszeit habe ich für mich, meine Familie und meine Freunde? Wie wichtig sind eigentlich Erfolg, Geld, Status und Einfluss – im Vergleich zu Zufriedenheit, Freude und Erfüllung im Beruf?
In unserem Berufsleben haben unsere Werte ganz unterschiedliche Bedeutung und Wirkungsweisen
Wir verbringen alle sehr viel Lebenszeit im Arbeitskontext. Hier ist nicht nur dein persönliches Wertesystem relevant, sondern auch das deiner Kolleg*innen, das deines Kollektivs (z. B. Band, Orchester, Institution) und - ganz wichtig - das deiner Branche generell.
Im Jazz werden andere Werte als wichtig empfunden als in der Klassik oder im Pop. Im Opernorchester herrscht eine andere Branchenkultur als im partizipativ organisierten Kammerorchester-Kollektiv. Im Idealfall arbeitest du in einem Umfeld, in dem du deine eigenen Werte leben und einbringen kannst. Leider ist das nicht immer der Fall und ein häufiger Grund für Frustration und Unzufriedenheit. Hast du dich schon einmal damit beschäftigt, ob es in deinem Berufsleben diesbezüglich eher harmonisch zugeht und Dissonanzen eher als interessante und bereichernde Reibungen empfunden werden, oder ob sie im Gegenteil handfeste Konflikte hervorbringen? Es lohnt sich. Für dich selbst, für dein Ensemble, in deiner Institution. (In Institutionen finden sich die Werte im sogenannten Leitbild wieder.)
Orientierung und Entscheidungsfindung
Werte sind die Grundlage für ethisches Handeln. Sie helfen dabei, moralische Dilemmata zu lösen und sicherzustellen, dass du dich in Übereinstimmung mit deinen Überzeugungen verhältst. Ich hatte einmal einen Musiker im Coaching, der eingeladen wurde, in einem Südamerikanischen Land aufzutreten. Er war natürlich sehr glücklich über dieses Engagement. Vor Ort bemerkte er dann allerdings, dass er irgendewie abgeschirmt wurde, und dass der Zugang zum Konzert auf bestimmte Personengruppen eingeschränkt war. Er wurde sogar angewiesen, nicht nachzufragen, welche Geldgeber genau hinter der Veranstaltung steckten. Da wurde ihm bewusst, dass er möglicherweise für Auftraggeber spielte, für die er eigentlich lieber nicht arbeiten wollte. Diese Werte wurden hier verletzt: Integrität, Gerechtigkeit, Loyalität…
Und auch in schwierigen Entscheidungssituationen können deine Werte eine wertvolle Hilfe sein: Denn sie sind wie ein Kompass, mit dem du innere und äußere Konflikte leichter analysieren und lösen kannst. Konzertabsagen bei eigener Krankheit oder Todesfällen zum Beispiel. Oder auch im Kontext von politischen Krisen (wie wir sie aktuell in Israel und Gaza erleben), ist es oft sehr schwer einen gute, für alle passenden modus vivendi zu finden. Hier geht es um Werte wie Zuverlässigkeit, Gesundheit, Professionalität, Loyalität, Empathie, Pietät …
Persönliches Wachstum: Authentizität und Motivation
Wenn du die für dich zentralen Werte kennst, verhältst du dich mit großer Wahrscheinlichkeit authentisch. Du musst dich in deinem Tun nicht verbiegen und kannst ganz in deiner Kraft sein. Das fördert dein Selbstbewusstsein. Für andere es ist leicht, Vertrauen in dich zu setzen, weil deine Reaktionen und Verhaltensweisen konsistent also „berechenbar“ sind. Sie wissen, woran sie bei dir sind. Besonders gut beobachten kann man das etwa bei Dirigent*innen oder Ensembleleader*innen. Wenn Personen mit Leitungsfunktionen sich nicht klar in ihrem Führungsverständnis sind, haben sie vermutlich sehr schnell irgendwelche Konflikte.
Wenn du eine klare Vorstellung davon hast, wie und mit wem du leben möchtest und was dir im Berufsleben wichtig ist, fällt dir leichter, dich zu motivieren und engagieren. Arbeit, die deinen Werten entspricht, gibt dir mehr Sinn und Zufriedenheit.
Der Chor, in dem ich viele Jahre lang gesungen habe, bekam einmal einen neuen Chorleiter. Er war quasi zu 100% das Gegenmodell zu seinem Vorgänger. Nach vielen Jahren Ausbildung und Tätigkeiten im gehobenen Klassikmilieu hatte der Neue genug von all dem Leistungsdruck, der auch in guten Laienchören vorherrscht(e). Seine Herangehensweise war es, möglichst bewertungsfrei zu musizieren und sich mehr auf Authentizität als auf Perfektion zu fokussieren. Anfangs hatte ich persönlich etwas Mühe mit diesem Ansatz, aber je mehr ich mich darauf einließ, desto mehr entdeckte ich, dass es auch mit dieser Haltung möglich ist, sehr gute Leistung hervorzuzaubern.
Du siehst: man kann Werte auch in Frage stellen oder relativieren. Hier ging es um Perfektion, Ehrgeiz, Können, Schönheit, Teilhabe, Gemeinschaft, Spaß …
Deine Wegweiser
Dein Wertesystem fungiert als eine Art Leitstern, der dir die Richtung weist, wenn du Ziele zu definieren und Prioritäten zu setzen möchtest. Du kannst auch leichter Situationen erkennen und vermeiden, die dich ausbrennen lassen oder deine Gesundheit gefährden.
Deine Werte helfen dir auch, Klarheit darüber zu gewinnen, welche Art von Arbeit und Karriere für dich persönlich sinnvoll und erfüllend ist. Du kannst deine Entscheidungen über Jobangebote, Ausbildungen und Weiterbildungen anhand deiner Werte ausrichten und Tätigkeiten wählen, die zu dir passen.
Wenn du in deinem Leben eine gewisse Sicherheit und Beständigkeit brauchst, wirst du vermutlich anstreben ganz oder zumindest teilweise in einer Festanstellung zu arbeiten. Wenn du ein großes Freiheitsbedürfnis hast und dir Unabhängikeit wichtig ist, wird es dich eher nicht in ein großes Orchester oder Opernhaus ziehen.
Zusammenarbeit und Kommunikation
Innerhalb eines Ensembles oder eines Teams, in dem die Werte aller Beteiligten bekannt sind und respektiert werden, wird meist effektiver gearbeitet und besser kommuniziert. Werte wirken verbindend und sinnstiftend. Gute Beziehungen unter Kolleg*innen, mit Vorgesetzten und mit Partner*innen werden gefördert und gestärkt. Wenn du das – besonders als Führungsperson – im Auge behältst und kultivierst, schaffst du ein positives Arbeitsumfeld mit einem vertrauensvollen Klima.
Ich höre leider immer noch fürchterliche Geschichten darüber, wie sich Kolleg*innen gegenseitig das Leben zur Hölle machen, wie Stipendiat*innen oder Studierende systematisch verunsichert werden, wie Konflikte nicht gelöst werden können und jahrelang vor sich hin schwelen. Hier spielen oft Werte eine Rolle, die möglicherweise miteinander konkurrieren wie etwa Wissen, Anerkennung, Macht, Einfluss, Hilfsbereitschaft, Harmonie, Ehrlichkeit, Kollegialität, Vertrauen…
Zufriedenheit
Wenn du deinen Werten treu bleiben kannst, steigt deine Lebenszufriedenheit insgesamt. Du wirst dich glücklicher und erfüllter fühlen.
Willst du wissen, welche deine wichtigsten und zentralen Werte sind? Hier habe ich ein paar verschiedene Tests für dich, die du online machen kannst.
- https://einguterplan.de/werte/
- https://www.osa.uni-freiburg.de/unistudium/orientieren/meine-werte/
- https://soulsweet.de/blog/persoenliche-werte/
- Und zum zum Weiterdenken das Wertequadrat: https://karrierebibel.de/wertequadrat/
Die Auseinandersetzung mit deinem individuellen Wertesystem ist eine tiefe Selbstreflexion, denn du erfährst viel über deine inneren Motive, deine Bedürfnisse und auch über deine bewussten und unbewussten Einstellungen und Glaubenssätze.
Es kann auch sehr schön und spannend sein, sich im Kreis der Lieblingsmenschen oder Kolleg*innen über Werte und Wertesysteme auszutauschen. Sprich das Thema doch bei einer guten Gelegenheit einfach mal an und frag andere nach ihren Werten
Was denkst da darüber? Schreib mir gern ein E-Mail an info@intakt-coaching.de. Ich bin gespannt.