Warum das Work-Life-Balance Konzept für Musiker nicht wirklich greift
Wahrscheinlich ahnst du schon, wo der Hase langläuft.
Balance. Einen stabilen Zustand erreichen, indem verschieden schwere Gewichte gegeneinander austariert werden. Kräfte, die gegeneinander wirken, sich aufheben. Ausgleich schaffen. Seiltänzer, Akrobaten, altmodische Waagen mit zwei Schalen, das sind die Bilder, die mir dazu einfallen.
Eine Bewegung von einem zum Anderen. Von links nach rechts, von schwer zu leicht, von hell zu dunkel, von laut zu leise – von Anspannung zu Entspannung. Und wieder zurück.
Ein Hin und Her zwischen Work/Arbeit und Life/Leben als zwei voneinander getrennten Aspekten? Greift so ein Konzept bei Dir?
Ich denke mal: nein.
Du bist Musiker:in. Deine Arbeit IST dein Leben.
Und jetzt?
Arbeitest du noch oder chillst du schon?
Du verbringst die Sommerferien auf Festivals, wo du auftrittst und unterrichtest. Du fährst mit deinen Kollegen, die gleichzeitig deine besten Freunde sind, in den Urlaub. Manchmal führen dich deine Engagements in Länder, die du schon immer besuchen wolltest. Und mit etwas Glück, hast du dort zwischendurch auch die Zeit, dich umzuschauen.
Oder: Dein Streichquartett, deine Band sind quasi deine zweite Familie. Du besuchst in deiner »Freizeit« die Konzerte deiner Freunde, Kolleg*innen oder Studierenden. Und oft ist diese »Arbeit« gleichzeitig Vergnügen und Entspannung.
Wie soll man das unterscheiden?
Muss man das unterscheiden?
Neben dem Begriff der Work-Life-Balance existiert auch noch ein anderer Ansatz. Die Work-Life-Integration. Es werden also keine zwei voneinander getrennten Bereiche in ihrer Wichtigkeit ins Gleichgewicht gebracht, sondern es wird versucht, sie miteinander zu verbinden oder zu vereinbaren. Das führt dazu, dass für viele Menschen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben immer mehr verschwimmen. Und die zunehmende Digitalisierung von Kommunikation (PC, Laptop, Handy) und Zusammenarbeit (z. b. Clouds) sorgen dafür, dass jede und jeder inzwischen - zumindest theoretisch - zu jeder Zeit erreichbar und arbeitsfähig ist.
Ich würde sagen: Fluch und Segen. Diese Flexibilität birgt neben ihren Chancen auch Gefahren. Abschalten, Abstand nehmen, geschützte Räume für Ruhe und Muße zu finden, wird zunehmend schwieriger.
Mit Work-Life-Balance ist also der gelungene Ausgleich zwischen den jeweiligen Anforderungen und Bedürfnissen im Berufs- und Privatleben gemeint. Damit du – wie beim Gehen, das eben auch ein permanenter Balanceakt ist – nicht umfällst.
Zum Beispiel vor Erschöpfung.
Oder auch vor Langeweile.
Du möchtest künstlerisch interessante Konzerte und Programme spielen, die dich erfüllen. Du willst inspirieren, aber auch inspiriert werden. Du willst dich, dein Ensemble, deine Schüler weiterbringen. Du willst Neues erleben und lernen. Und natürlich deinen Lebensunterhalt davon bestreiten können, damit du ein Leben nach deinen Vorstellungen führen kannst.
Aber du willst auch Zeit für deine Freunde und die Familie haben. Du willst dich fit halten, Sport machen, dich deinen anderen Interessen widmen. Oder einfach mal nix machen.
Bist du lieber Workaholic oder faule Socke? Oder doch besser irgendwas dazwischen?
Gestern saß ich mit ein paar Freunden aus dem Chor zusammen: Darunter Ministerialbeamte, Lehrer, Logistiker, Projektmanager, naturgemäß alle angestellt, zwei von ihnen Betriebsräte. Dazu ein Fotograf, ein Chorleiter und eine Coach, die Soloselbstständigen. Aus einem Gespräch über die unterschiedlichen Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice entstand eine spannende Diskussion darüber, inwieweit die Arbeit ins Privatleben hineinragen darf. Wann darfst du außerhalb deiner Dienstzeiten angerufen werden und wann nicht? Musst du am Wochenende oder abends deine E-Mails checken? Wie scharf kannst oder möchtest du die Grenzen ziehen?
Was für Fragen? denkst du jetzt vielleicht. Und schüttelst verwundert den Kopf.
Da standen die unbestritten segensreichen Errungenschaften des Arbeitnehmerschutzes dem Wunsch nach Flexibilität und Spontaneität gegenüber. Arbeitszeiten, die sich an Notwendigkeiten orientieren und die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Persönliche und strukturelle Erwartungshaltungen, mit der Schwierigkeit, das eigene Committment für die Sache und die Abgrenzung gegenüber unangemessenen Erwartungen anderer oder gar an sich selbst in Einklang zu bringen.
Auch Musiker:innen können ein Lied davon singen. Zum Glück gibt es Tarifverträge. Aber leider auch viele Kontexte, in denen deine Liebe zur Musik und dein künstlerischer Idealismus ausgebeutet werden. (Ein Thema, auf das ich hier nicht näher eingehen will.)
Klar, bei Kaffee und Kuchen ließ sich das Problem nicht abschließend lösen. Hochinteressant war aber, wie verschieden die Sichtweisen auf die Fürs und Widers aus dem Blickwinkel der jeweiligen Organisation, des Unternehmens und der Lebenswirklichkeit waren.
Und wie viele unterschiedliche Wertvorstellungen da miteinander konkurrieren.
Für dich als Musiker*in ist dieses Verschwimmen der Grenzen wahrscheinlich der Normalzustand. Ob du nun ganz und gar als Freiberufler unterwegs bist oder angestellt – Musiker*in ist man nicht nur in einer definierten Arbeitszeit. Musiker*in ist man 24/7, rund um die Uhr.
Deshalb habe ich den ersten Bindestrich aus dem Wort Work-Life-Balance entfernt
Worklife-Balance steht für deine ganz individuelle Art, deinen Beruf so auszuüben, dass du dich nicht selbst ausbeutest, sondern
- du Energie und Lebensfreude bekommst und nicht verlierst.
- deine seelischen, geistigen und körperlichen Ressourcen nicht knapp werden.
- die verschiedenen Aspekte deiner Persönlichkeit in deinem Alltag zum Zuge kommen.
- du nach deinen Wertvorstellungen leben kannst.
- du dich im Großen und Ganzen glücklich und zufrieden fühlst.
Fallstricke lauern überall: Nicht immer ist die Kunst, mit der du dein Geld verdienst, auch die, die dir wirklich wichtig ist und du musst dir die Zeit dafür aus den Rippen schneiden.
Manchmal kommt einfach alles gleichzeitig und du weißt nicht, wo dir der Kopf steht. Aber du möchtest alles unter einen Hut bringen. Du gerätst in ein Hamsterrad und siehst keinen Ausweg.
Du willst einen guten Mix aus Herzensprojekten und lukrativen Aufträgen haben und es ist schwierig, die richtigen Prioritäten zu setzen.
Es gibt kein Patentrezept
»Jeder Jeck is anders«, sagen die Rheinländer. Und deshalb gibt es meiner Ansicht nach für eine gute Worklife-Balance kein Patentrezept.
Beispielsweise gibt es Menschen, die bei erhöhtem Druck und Tempo regelrecht aufblühen. Je bunter und doller, desto besser. Andere brauchen dagegen zwischen ihren Aufgaben Zeit und Raum für Ruhe und Sammlung.
Die eine läuft zum Ausgleich Marathon, der andere kocht mit Leidenschaft, der Dritte engagiert sich ehrenamtlich.
Berufliche Befriedigung und Bestätigung bekommst du als Musiker*in Form von Applaus deines begeisterten Publikums, von Ruhm und Ehre ;-), guten Gagen, Honoraren und Gehältern, Flow-Erlebnissen beim Proben und in Konzerten … Und natürlich von der Musik an sich. (Hab ich was vergessen?)
Welchen Stellenwert diese Dinge jeweils haben, ist ganz individuell. Und kann sich im Laufe des Lebens auch verändern.
Diese 7 Hacks helfen dir dabei, deine Worklife-Balance im Lot zu halten
Trotzdem gibt es verschiedenen Faktoren, die eine gute Worklife-Balance generell fördern.
- Du kennst deine Stärken und hast eine Vision, die dich motiviert.
- Du kennst deine Kraftquellen, aber genauso deine hartnäckigsten Krafträuber.
- Du weißt, welche Werte dein Fühlen und dein Handeln steuern.
- Du verfügst über Resilienz, die Fähigkeit Krisen und Rückschläge unbeschädigt zu überstehen.
- Du suchst offen und zuversichtlich nach Chancen und Lerngeschenken, die dich deinen Wünschen und Zielen näherbringen.
- Du umgibst dich mit Menschen, die dich unterstützen und die dir gut tun.
- Du bist achtsam, liebevoll und großzügig mit dir selbst.
All diese Aspekte sind immer wieder Thema in meinen Coachings.
Deine Werte, dein Warum, deine Ressourcen spielen eine wichtige Rolle für die Karriereplanung, bei oder Neu- bzw. Umorientierung, für dein Selbstmanagement und für dein Erfolgsmindset.
Wenn du nach Unterstützung suchst, um deine Worklife-Balance zu verbessern, dann denk doch mal über ein Coaching nach. Hier geht es zu meinem Angebot.
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